Welch ein Glück, in einer solchen Stadt zu leben! Niemals könnte mir ein Tag zu lang werden, jeden Tag beschenkt sie mich aufs Neue. Der Mönchsberg erfreut die Sinne: mit den Augen, über die Ohren, durch die Nase, aber auch durch bloßes Anfassen der rauhen Nagelfluhfelswände kann man sich ihm annähern.
Eintauchen, mich treiben lassen, auf den Inselbergen der Stadt hüpfen, aufregende Seh- Hör- Tast- und Gerucherlebnisse wahrnehmen dürfen - das sind ganz besondere Geschenke dieser Stadt an mich.
Die synästhetische Wahrnehmung dieser Stadt ist ein sinnliches Kunsterlebnis, das keinerlei Vergleiche scheuen muss.
Subjektive Fantasien tauchen vor dem geistigen Auge auf; individuelle warme und kalte Gefühle werden spürbar und das Farbenklavier der Natur erklingt mit zarten Melodien.
Der Mönchsberg erfreut, das Auge, das Ohr, die Nase und auch das Haptische lässt er erfahrbar werden. Er bringt die Phänomenologie der Wahrnehmung ganz nah.[i]
Wenn man die Augen schließt und mit den Fingern vorsichtig den Nagelfluh der schroffen, narbigen Mönchsbergwände erspürt und ertastet, in Begleitung eines Konzerts der Natur als prachtvolle Klangkulisse, kann man die Grenzen zwischen Realem und Unrealem für sich ganz persönlich ausloten.
Es ist ganz einfach! Nur ein wenig Mut und los geht diese Reise!
Man spürt, hört und fühlt alles zugleich. Da kann schon ein wohliges Prickeln den Rücken hinuntergleiten und man bekommt den Eindruck, ganz in das Herz des Mönchsbergs einzudringen. Das Raunen und Flüstern des Berges macht sich hörbar; Geheimnisse schlittern nach und nach an die Oberfläche und werden preis gegeben.
Nur nicht zögerlich sein!
Mehr und mehr kehren Ruhe und Stille ein, das zarte Rauschen der Blätter und das Flüstern der Windgötter sowie das Fliegen der Vögel wird hörbar.
Das sind Eindrücke von meinem Lieblingsplatzerl in Salzburg, dem Mönchsberg:
„Wo im Schatten herbstlicher Ulmen der verfallene Pfad hinabsinkt,
Ferne den Hütten von Laub, schlafenden Hirten,
Immer folgt dem Wandrer die dunkle Gestalt der Kühle
Über knöchernen Steg, die hyazinthene Stimme des Knaben,
Leise sagend die vergessene Legende des Walds,
Sanfter ein Krankes nun die wilde Klage des Bruders.
Also rührt ein spärliches Grün das Knie des Fremdlings,
Das versteinerte Haupt;
Näher rauscht der blaue Quell die Klage der Frauen.“
(Georg Trakl, 1913)
„Fabiola
Hör", es klagt die Flöte wieder,
Und die kühlen Brunnen rauschen.
Piast
Golden wehn die Töne nieder,
Stille, stille, laß uns lauschen!
Fabiola
Holdes Bitten, mild Verlangen,
Wie es süß zum Herzen spricht !
Piast
Durch die Nacht, die mich umfangen,
Blickt zu mir der Töne Licht .“
(BRENTANO)
[i] Vgl.: Maurice Merleau-Ponty, Phénoménologie de la Perception, Paris 1945.